Bezirksregierung
Köln

Pilotanlage Unkelmühle: Fischschutz und Energieerzeugung im Einklang

Darstellung des Umfangs und der Funktionsweise eines Pilotprojektes für die Optimierung der Fischpassierbarkeit an der bestehenden Wasserkraftanlage Unkelmühle an der Sieg in der Gemeinde Windeck.

Das Land Nordrhein-Westfalen - vertreten durch die Bezirksregierung Köln - hat im Auftrag des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW (MKULNV NRW) als Bauherr die Errichtung einer Pilotanlage für den Fischschutz am bestehenden Standort der Wasserkraftanlage Unkelmühle begleitet.

Das Wasserkraftwerk Unkelmühle liegt in der Gemeinde Windeck an der Sieg und wird seit 2011 im Rahmen eines Pilotprojektes zur Optimierung des Fischaufstiegs, jedoch vor allem zur Verbesserung des Fischabstieges umgebaut. Das Vorhaben ist Teil des Wanderfischprogramms NRW zur Entwicklung der Sieg für Fischarten, die auf unterschiedliche Lebensräume einer Flusslandschaft als Laich-, Aufwuchs- oder Nahrungsgewässer angewiesen sind. Hierzu zählen insbesondere die „Langdistanzwanderer“ Lachs, Meerforelle und Aal.

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Geschichte

Die Unkelmühle fand nach historischen Quellen ihre erste Erwähnung im Jahr 1601; im Jahr 1726 befand sie sich offenbar im Besitz der Grafen von Nesselrode.

921 baute die Eitorfer Firma Hegeling, Vorläufer der Firma Boge GmbH, dort einen Staudamm und das noch heute bestehende Kraftwerk zur Stromversorgung der Fabrik.

Rechtsnachfolgerin der Firma Hegeling war die Wasserkraftwerk Eitorf AG, welcher auf Grund rechtskräftigen Beschlusses des Bezirksausschusses Köln vom 20.09.1928 das Recht verliehen wurde, die Sieg an gleicher Stelle auf 90,05 müNN bzw. 90,07 mNHN (dies entspricht dem heutigen Stauziel) zum Betrieb des Flusskraftwerkes zu stauen.

Aktuelle Rechtsnachfolgerin der Wasserkraftwerk Eitorf AG ist die RWE, welche die Wasserkraftanlage bisher auf Grund der alten Wasserrechte betrieb, nach erfolgtem Umbau jedoch nach Maßgabe eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit dem Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2009 betreiben wird.

Baukosten

Die Baukosten zum Umbau der bestehenden Wasserkraftanlage zu einer Pilotanlage für den Fischschutz betragen circa 5,5 Millionen Euro. Hiervon trägt RWE circa 1,5 Million Euro, der Rest in Höhe von 4 Millionen Euro wird durch das Land NRW aufgewendet. Diese setzen sich zu ca. 30 % aus Baukosten für den Stahlwasserbau und zu ca. 70 % aus Stahlbetonbauteilen und weiteren Kosten zusammen. An der Kostenteilung zeigt sich das große Interesse des Landes NRW, die Schaffung der Durchgängigkeit der Gewässer als eines der vordergründigen Ziele zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu behandeln.

Fischaufstieg und Fischabstieg

Fischaufstieg

Laufwasserkraftwerke wie die Unkelmühle nutzen den Höhenunterschied zwischen dem Ober- und Unterwassergraben aus, um Strom zu erzeugen. Damit wandernde Fische überhaupt aus dem unteren Wasserniveau in den höher gelegenen Flussabschnitt gelangen können, gibt es schon seit längerem so genannte Fischaufstiegsanlagen. Diese haben auch an der Unkelmühle Tradition. So wurden hier bereits 1990 eine Blocksteinrampe direkt am Wehr sowie ein Denil-Fischpass an der Wasserkraftanlage errichtet. Zuvor hatte es schon einen Beckenpass gegeben.

Im Rahmen des Pilotprojektes wurde ein neuer technischer Fischaufstieg in Form eines „Vertical-Slot-Passes“ installiert. Über 27 Becken mit einem Durchfluss von 280 bis 320 Liter pro Sekunde können die Fische gut drei Meter Differenz vom Ober- ins Unterwasser überwinden. Fischaufstiegsanlagen sind heute bekannte und erprobte Technik.

Fischabstieg

Am Vorranggewässer Sieg werden im Rahmen des Pilotprojektes Unkelmühle erhöhte Standards sowohl für den Schutz anadromer Fischarten (z.B. Lachs, Meerforelle) als auch katadromer Fischarten (z.B. Aal) getestet.

Als mechanische Barriere vor den Turbinen werden Feinrechen mit einem lichten Stab-abstand von 10 Millimetern sowie einer Anströmgeschwindigkeit von maximal 0,5 m/s erprobt. Gleichzeitig sind für den Abstieg der Lachssmolts oberflächennahe Bypässe vorgese-hen, welche zwischen dem 15. März und dem 31. Mai (Hauptabwanderzeit) geöffnet werden.

Für den Abstieg der Aale, die in der Regel sohlnah wandern, sind sohlennahe Bypässe installiert, welche in den Monaten Juli bis Januar nachts geöffnet werden sollen. Durch den engen Stababstand der Rechenfelder wird erwartet, dass Geschwemmsel (Äste, Laub, Müll) den Betrieb des Kraftwerks verstärkt behindert, sodass eine leistungsfähige, automatische Rechenreinigungsanlage installiert ist.

Zur Minderung der Gefahr, dass sich vor der vergrößerten Rechenreinigungsanlage vermehrt Sedimente (Schlamm, Sand, Kies) ablagern, die nach und nach den Turbineneinlauf vermindern, ist ein Geschiebekanal eingebaut, durch dessen Öffnung die Sedimente bei Bedarf ins Unterwasser gespült werden können.

Monitoring

Um den wandernden Fischen den Abstieg vom Oberwasser- in das Unterwasser zu ermöglichen, werden an der Unkelmühle verschiedene Fischabstiegsmöglichkeiten getestet. An der Oberfläche wandernde Fische, wie z. B. Lachse, gelangen oberhalb des Rechens in eine Querrinne, die sie am Wasserkraftwerk vorbei, zusammen mit dem Geschwemmsel in den Fluss zurückführt.

Andere Fischarten, wie z. B. Aale wandern bevorzugt am Grund ab. Durch in der Seitenwand befindliche Öffnungen - die sogenannten Aalrohre - können diese Fische das Kraftwerk unbeschadet passieren. Ebenfalls getestet wird eine spezielle Bottom Galerie für Aale. Quer zum Einlaufkanal befindet sich am Boden eine klappenartige Vorrichtung, die durch permanentes Öffnen und Schließen Aale einfängt und ihnen ermöglicht, schadlos durch eine Rohrleitung in der Seitenwand des Turbinengerinnes das Krafthaus zu umgehen. Sämtliche Auf- und Abwanderwege sind mit Einrichtungen zum Monitoring ausgestattet, sodass die wandernden Fische von Fachkräften gezählt und untersucht werden können.

Wasserkraft klimafreundlich - fischfeindlich?

Im Krafthaus der Unkelmühle arbeiten bei ausreichender Wasserführung der Sieg drei Francis-Turbinen, die insgesamt über eine installierte Leistung von 420 Kilowatt verfügen. Jährlich werden so rund 1.800 Megawattstunden Strom erzeugt. Das reicht aus, um 500 Haushalte zu versorgen.

Zwar ist der so erzeugte Strom sehr klimafreundlich, allerdings ohne eine besondere Schutzausstattung der Anlage wenig fischfreundlich.

Nach heutigem Kenntnisstand wirken sich die Probleme des Auf- und Abstieges an Stauanlagen und der Schädigungen in Turbinen insbesondere auf jene Fischpopulationen aus, die auf den Wechsel zwischen Binnengewässer und Meer angewiesen sind. Diese diadromen Populationen sind somit vor allem in jenen Gewässern nachhaltig zu schützen, in denen nur eine geringe Anzahl von Wasserkraftanlagen existiert.

In Nordrhein-Westfalen ist u.a. die Sieg als ein solches Vorranggewässer ausgewiesen; an den hiesigen Wasserkraftanlagen sind erhöhte Standards für den Fischschutz erforderlich, um eine ausreichend höhe Gesamtüberlebensrate der abwandernden Fische zu erreichen.